5 Uhr morgens auf dem Fischmarkt
Man muss früh aufstehen um eine Thunfisch-Versteigerung in Japan zu erleben
Utsunomiya/Japan | 02. Oktober 2023 | Text + Bilder Oliver Schendzielorz
Der Wecker klingelt um 4:30 Uhr. Sofort bin ich hellwach, schnell die Klamotten anziehen, versuchen, die Haare irgendwie zu bändigen und dann das Hotelpersonal überzeugen, dass man jetzt sofort das Auto braucht, das in einem Parkturm in irgendeiner Etage eingelagert ist. Alles klappt wie am Schnürchen und pünktlich um 5 Uhr stehe ich dann auf dem Fischmarkt in Utsunomiya, einer Stadt mit über 500 000 Einwohnern, die sich im Großraum Tokio befindet.
Es herrscht schon geschäftiges Treiben und viele Mitarbeiter warten auf die Thunfische, die ihre Chefs gleich ersteigern werden. Da liegen sie auf dem Boden, die Thunfische, mit -60°C tiefgefroren, belegt mit einer Scheibe vom Schwanzende, mit deren Hilfe die Qualität und die Struktur des Fleisches eingeschätzt werden kann. Es wird beurteilt, nochmal genau inspiziert und auch daran gerochen, denn schließlich geht es für die Japaner hier um sehr viel Geld. Die Thunfische wiegen zwischen 75 und 150 kg und das Kilo kostet ab 40 € aufwärts, je nach Qualitätsstufe. Da kommt schon eine stolze Summe pro Fisch zusammen.
Diese Thunfische haben die höchste Qualitätsstufe, werden auf dem Schiff nach dem Fang gleich ausgenommen, die Kiemendeckel entfernt und sofort auf -60°C schockgefroren, weil sie unbedingt noch vor der dann einsetzenden Totenstarre gefroren sein müssen. Nur so behandelt, akzeptieren die Japaner den Thunfisch und verwenden diese nur für die Sashimi-Produktion.
Dann geht es ruckzuck: in Windeseile werden die Fische versteigert. Es erschließt sich für mich nicht, wer jetzt welchen Fisch ersteigert, aber sofort eilen die Mitarbeiter herbei und transportieren die Fische mit Gabelstaplern oder wenn es dann einige mehr sind, in Gitterboxen ab und beginnen sofort auf ihren großen Bandsägen die tiefgefrorenen Fische zu zerlegen. Nach einem genauen Plan werden die Fische in die vorgesehenen Schnitte gebracht und sofort wieder in das grüne Leintuch eingepackt, das den Thunfisch in der höchsten Qualitätsstufe auszeichnet.
Die Kunden haben sich auch schon eingefunden und warten bereits geduldig auf ihre Bestellungen. In nicht einmal einer halben Stunde hat der Fisch oder was davon übrig ist, 2 x den Besitzer gewechselt. Nach einer Stunde ist alles vorbei, die Thunfische zerlegt, weiterverkauft oder in der Verkaufstheke präsentiert.
Die Köpfe kommen gleich nach dem Sägen in ein großes Becken mit Wasser, so dass sie schnellstmöglich auftauen. Dann werden die Backen und die Zunge entfernt, was in Japan ebenso eine gefragte Delikatesse ist.
Thunfische sind eine Gattung großer Raubfische, die in allen tropischen, subtropischen und gemäßigten Meeren vorkommt. Sie gehören zu den wichtigsten Speisefischen und sind von großer fischereiwirtschaftlicher Bedeutung.
Sie halten sich sowohl in küstennahen Regionen als auch im offenen Meer auf, wo sie in Wassertiefen von bis zu tausend Metern anzutreffen sind. Thunfische bevorzugen jedoch milde Temperaturen von mindestens zehn Grad Celsius und halten sich daher vor allem in wärmeren Gebieten knapp unter der Wasseroberfläche auf.
Thunfische sind äußerst schnelle Schwimmer, die Geschwindigkeiten von bis zu achtzig Kilometern pro Stunde erreichen können. Dies verdanken sie ihrem spindelförmigen schlanken Körperbau und den bis zu zwölf Paar Flösselchen, die sich zwischen der Rücken- und Schwanzflosse an Ober- und Unterseiten befinden. Diese ermöglichen dem Thunfisch, Wirbel während der schnellen Fortbewegung konsequent zu vermeiden.
Mit einer Körperlänge von bis zu fünf Metern gilt der Rote Thunfisch als der größte Vertreter dieser Gattung. Der Weiße Thunfisch erreicht eine Länge von bis zu 1,40 Metern. Je nach Art können Thunfische bis zu siebenhundert Kilogramm auf die Waage bringen.
Thunfische schließen sich zu kleinen Schwärmen zusammen und legen im Zuge ihrer Wanderungen jährlich mehrere Tausend Kilometer zurück. Wissenschaftler beobachteten bei markierten Exemplaren Wanderrouten, die sich von den Bahamas bis nach Norwegen und Island erstreckten.
Der Thunfisch ist ein räuberischer Jäger, der sich vorrangig von kleineren Schwarmfischen wie Sardinen oder Makrelen sowie kleinen Barschen und Lengfischen, Heringen, Tintenfischen und Krebsen ernährt.
Wegen ihrer imposanten Größe fallen Thunfische nur sehr selten anderen Raubfischen zum Opfer. Zu ihren Feinden zählen neben dem Menschen lediglich große Haie, Schwertfische und Zahnwale.
Quellen:
https://www.biologie-schule.de/thunfisch-steckbrief.php
https://de.wikipedia.org/wiki/Thunfische
Eigentlich wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Japan noch kein Thunfisch gegessen, er galt bis dahin als unreiner Fisch. Das rote Fleisch mit seinem intensiven Geruch und dem hohen Eisengehalt war ohne Kühlung leicht verderblich. Als Hunde- und Katzenfutter oder als fett- und kalorienreiches Nahrungsmittel für ärmere Menschen kannte man Thunfisch in Japan, aber nicht für den rohen Verzehr.
Die Kühltechnik brachte aber den Durchbruch. War es vorher nicht möglich, leicht verderbliche Lebensmittel über längere Strecken gekühlt zu transportieren, wurde es mit der immer besser werdenden Kühltechnik wirtschaftlich interessant, leicht verderbliche Lebensmittel wie den Thunfisch zum rohen Verzehr zu transportieren.
Ausgerechnet die Wirtschaftlichkeit des Luftverkehrs in den 1970er-Jahren ermöglichte den Siegeszug des Thunfisches als Top-Sushi in Japan. Die Japan Airlines sind eigentlich der Begründer des Sushi-Trends in Japan. Wenn man weiß, dass die ersten japanischen Restaurants in den USA bereits in den 1850er-Jahren eröffneten, bis 1910 über 50.000 Japaner in der amerikanischen Wirtschaft arbeiteten, ist es naheliegend, dass sich im Laufe der Jahre eine große Anzahl japanischer Restaurants etablierten. Diese Restaurants und Bars ermöglichten den Siegeszug des Sushis in Amerika und diese mussten natürlich mit Original-Lebensmitteln aus Japan beliefert werden. So kommt die Flug-Gesellschaft ins Spiel, die mit vollbeladenen Flugzeugen nach Amerika flog, aber dann unwirtschaftlich wieder leer zurück. Man suchte verzweifelt nach Waren jeglicher Art, deren Import nach Japan wirtschaftlich interessant sein könnte. Es gab jedoch keine! Bis ein findiger, junger kanadischer Angestellter der JAL auf die Idee kam, man könnte doch kanadischen Blauflossen-Thunfisch tiefgekühlt nach Japan exportieren. Denn mit dem wachsenden Wohlstand der Bevölkerung stieg auch in Japan die Nachfrage nach Sushi und Sashimi, ausgelöst durch die Essgewohnheiten der amerikanischen Besatzung, die den Trend aus der Heimat nach Japan mitbrachten. Jedoch waren die japanischen Fischer nicht in der Lage, den wachsenden Bedarf zu bedienen. Nun stand ausreichend vor den Küsten Amerikas und Kanadas gefangener Thunfisch zur Verfügung und der weltweite Siegeszug des Sushis war nicht mehr aufzuhalten.
Mittlerweile löst der norwegische Lachs den Thunfisch als beliebtesten Sushi-Fisch an der Spitze ab, aber das ist jetzt eine andere Geschichte.
Quelle: https://www.sushiya.de/sushi/historie/thunfisch-lachs-japanisch/
Bei Ike Jime, der japanischen Kunst, Fische zu töten, geht es nicht um Effizienz, sondern um die Qualität.
In Japan werden die Fische zunächst in ein kleines Becken gesetzt, in dem sie bis zu 24 Stunden bleiben, um sich zu entspannen. Ike Jime Meister schaffen es, den Fisch aus dem Becken zu nehmen, ohne ihn zu beunruhigen, so dass er nicht einmal zappelt. Anschließend wird der Fisch durch einen direkten Stich ins Gehirn getötet. Wichtig ist, dass beim ersten Stich das sogenannte Rhombencephalon (Rautenhirn) getroffen wird. Sitzt der erste Schnitt, wird der sofortige Hirntod herbeigeführt.
Das hat zur Folge, dass kein Adenosintriphosphat (ATP) mehr in die Muskeln gelangt und diese nicht übersäuern. Dann wird er an den Kiemen eingeschnitten, so dass die Arterien getrennt werden, dann wird der Fisch in ein Becken gelegt, in dem er über das noch arbeitende Herz ausbluten kann. Das ist wichtig, denn das Blut ist es, das für ein unangenehmes fischiges Aroma sorgen kann, wenn es sich zersetzt.
Bei kleinen Fischen wird anschließend die Wirbelsäule hinter dem Kopf getrennt und ein scharfer, stabiler Draht in den Kanal oberhalb des Rückenmarks geschoben und am Schwanz ein Schnitt in die Arterie vorgenommen. Bei großen Fischen wird dafür der Schwanz halb abgetrennt, wodurch Wirbelsäule und Arterien freigelegt werden, und der Draht von hinten eingeschoben. Das sorgt dafür, dass vom Rückenmark keine Befehle mehr an die Muskulatur des Fisches ausgehen, es gibt keine unwillkürlichen Zuckungen, die Muskeln übersäuern nicht.
Quellen:
https://www.effilee.de/ike-jime-die-japanische-kunst-einen-fisch-zu-toeten/
https://schattbuch.de/fileadmin/user_upload/RestaurantSchattbuch_IkeJime_2022.pdf
Hier noch ein interessantes Video dazu: